Markus Becker spielt die Sechs Präludien und Fugen op. 99 von Max Reger (1873-1916).
00:00 Titelblatt
00:03 1. I. Präludium e-Moll
Andante.
03:08 II. Fuge e-Moll
Quasi Adagio.
06:33 2. I. Präludium D-Dur
Vivace con grazia. (- Meno mosso. - Tempo primo. - Adagio.)
08:26 II. Fuge D-Dur
Allegro con grazia.
09:41 3. I. Präludium a-Moll
Allegro.
11:00 II. Fuge a-Moll
Andante.
13:53 4. I. Präludium h-Moll
Largo. (- Allegretto. - Tempo primo.)
17:07 II. Fuge h-Moll
Andante.
20:11 5. I. Präludium G-Dur
Allegretto.
21:37 II. Fuge G-Dur
Allegretto.
23:24 6. I. Präludium d-Moll
Con moto. (- Meno mosso.)
26:29 II. Fuge d-Moll
Moderato.
Wie kommt Max Reger (1873-1916) dazu, 1907 diese kleine Sammlung hübscher Präludien und Fugen zu schreiben, nachdem doch schon dezidiert tonalitätssprengende Opera wie opp. 57, 73, 74 oder 96 entstanden waren? Kurz vor zahlreichen Stücken “großen Stils“ lässt sich in Regers Werkschaffen eine Wendung zu transparenten und harmonisch weniger komplexen Werken, s. bspw. opp. 90, 93, 95, verzeichnen.
Die Beschäftigung Regers im September 1906 mit Richard Strauss’ Oper “Salome“ von 1905, die alles andere als historistisch und rückwärtsgewandt ist, der Reger jedoch wegen der darin erkannten bloßen Farbenmalerei kritisch gegenüberstand, ist ein Anhaltspunkt für die Suche nach einer Antwort auf die Frage nach Regers Verständnis von der Zukunft der Musik. Gerade nachdem der Kritiker Felix Draeseke in seinem Artikel “Konfusion in der Musik. Ein Mahnruf“ vom Okt. 1906 die zeitgenössischen Komponisten, sicher auch Strauss und Reger, des “Kultus des Hässlichen“, der “Kakophonie“ und der Melodienlosigkeit bezichtigte, fühlte sich Reger angegriffen, beschwerte sich in einem Brief an Adalbert Lindner über dieses “saudumm[e]“ Schreiben und betonte, er und Strauss beherrschten die ganze Musik als moderne (!) Komponisten. Ein moderner Komponist, der Präludien und Fugen schreibt?
Eine “Salome“ von Reger dürfe man nicht erwarten, so schreibt er am 23. Mai 1907 dem Kritker Eugen Segnitz, auch wenn er ein “großer Bewunderer von R. Strau[ss]“ sei. Jedoch: “Vielleicht ist diese meine ’Gesundheit’, die von der Orgel, dem Leibinstrument Bach’s herkommt, mal ganz gut, wenn man sich nach den Fleischtöpfen Salome’s nach schlichter, absoluter Musik sehnt!“
Kontrapunkt war für Reger ohnehin eine Selbstverständlichkeit. Ob formal rückwärtsgewandt oder nicht, was zählt, sei die Fähigkeit, “neue ungeahnte seelische Stimmungen auszulösen“. Dies ließen die alten Gattungen durchaus zu, die in Regers Verständnis sogar eine gewisse Notwendigkeit besäßen: Im Artikel “Musik und Fortschritt“ vom 14. Juni 1907 im Leipziger Tageblatt mahnt er vor der Ablehnung alles Alten und weist darauf hin, “daß ein wahrer Fortschritt nur kommen und erwartet werden kann auf Grund der genauesten und liebevollsten Kenntnis der Werke derer ’von gestern’, daß vor allem Fortschritt nur erwachsen kann aus Können, dem Können, welches die Leute ’von gestern’ in ewig vorbildlicher Weise uns zur Nachahmung und Nacheiferung besessen haben!“
Knapp: Moderner Komponist zu sein lässt zu, auch Stücke im alten Stil/nach alten Vorbildern zu schreiben, denn auch ein Verstehen der Vergangenheit gehöre zu den Voraussetzungen zum Gestalten der Zukunft. Außerdem ist es ein Ausgleich zu den provokanten Werken der Zeit, wie der “Salome“, die das Entstehen eines solchen Werkes im Konkreten begründen.
Nicht zuletzt war es auch die gute Verkäuflichkeit von kleinen, leicht zugänglichen Klavierstücken, die dem op. 99 zur Entstehung verhalf. Werke wie dieses wurden jährlich dem Verlag Lauterbach & Kuhn, der weniger an den groß angelegten Werken Regers interessiert war, zur Veröffentlichung gegeben. Beide Seiten gewannen dadurch auch eine finanzielle Sicherheit. Der Verlag forderte jedoch Werke bestimmter Art: leichte bis mittelschwere Vortragsstücke, die seitenweise entlohnt werden sollten. Diese Provokation des künstlerischen Geistes zog einige Diskussionen nach sich, nach denen ein neuer Vertrag 1907 beide Seiten zufriedenstellen konnte.
(Oliver T. Tjabben, April 2022)
(Quelle: Max Reger - Werk statt Leben, 2016, Popp, Susanne, S. 284ff.)
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Audio sources:
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